Jon Elster, Ulysses and the Sirens (1979)

Cover Elster Ulysses Sirens (1979)In vertragstheoretischen Fragen grundlegend Neues zu schreiben, ist angesichts einer Jahrtausende alten und heutzutage auch noch weltweit wie interdisziplinär praktizierten Diskussion hierüber schwer. Umso erfreulicher ist es, wenn man zwar keine grundstürzende Neukonzeption zu lesen bekommt, wohl aber eine zumindest unterhaltsam präsentierte Einsicht, die zum erneuten Nachdenken über dann vielleicht auch fundamentale Fragen anregt. In diese Kategorie fällt das hier vorzustellende Werk, wobei man aber etwa auch Schelling, Choice and Consequence (1984) hätte wählen können.

Gedanklicher Ausgangspunkt dieser Werke ist die in der Vertragstheorie selten diskutierte Frage, inwieweit wir Menschen gut daran täten, nicht nur andere (zB vertraglich) binden zu können, sondern auch uns selbst. „Jon Elster, Ulysses and the Sirens (1979)“ weiterlesen

Ludwig Mitteis, Die Lehre von der Stellvertretung (1885)

Mitteis Stellvertretung DeckblattWem immer es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dürstet, die gleichermaßen neu wie weitreichend sind, sollte zumindest dreierlei beachten: Erstens beginnt nahezu jede grundlegende Einsicht nicht etwa mit übergreifend-abstrakten Erwägungen, sondern mit einem sehr konkreten, oft vermeintlich kleinen Problem, das es zunächst einmal als Problem zu erkennen und in seiner Bedeutung zu entfalten gilt. Hat man dies getan, entpuppt sich dann erschreckend häufig, dass scheinbar noch so selbstverständliche Erscheinungen größte theoretische Schwierigkeiten bereiten, wenn man nur ein wenig über sie nachdenkt. Hat man diesen Schrecken endlich überwunden, ist es dann bisweilen nicht weniger bestürzend festzustellen, wie beschränkt sich die meisten Wissenschaftler für derartige „Kleinigkeiten“ interessieren.

Die von Mitteis behandelte Stellvertretung ist für all das ein vorzügliches Beispiel. „Ludwig Mitteis, Die Lehre von der Stellvertretung (1885)“ weiterlesen

Ferdinand Regelsberger, Die Vorverhandlungen bei Verträgen (1868)

3-regelsberger-vorverhandlungen-coverDass zum Vertragsrecht wenig geschrieben sei, lässt sich wahrlich nicht behaupten. Und doch finden sich bis heute praktisch höchst bedeutsame Teilbereiche, bei denen sich die Wissenschaft bemerkenswert zurückhält. Die Einzelheiten des Vertragsschlusses gehören dazu. Denn tatsächlich verlangen wir für die vertragliche Bindung keineswegs „einen Vertrag“ oder „ein Versprechen“, sondern meistens Angebot und Annahme – und für diese wiederum etwa Abgabe, Zugang  oder diverse Förmlichkeiten. All das variiert nach Situation, Personenkreis oder Rechtsordnung mit teils sehr unterschiedlichen Anforderungen an Annahmefrist, Bindungsdauer oder Widerruf. „Ferdinand Regelsberger, Die Vorverhandlungen bei Verträgen (1868)“ weiterlesen

Alan Wertheimer, Coercion (1987)

Alan Wertheimer, Coercion,  1987Glaubt man gängigen Lehrbüchern zum Vertragsrecht, so interessiert die Drohung nur am Rande – im deutschen Recht etwa als ein Anfechtungsgrund von vielen. Dabei berührt dieses Phänomen nicht nur die Fundamente jedes Vertrags, sondern reicht noch weit darüber hinaus. Denn letztlich berühren Zwang und Drohung die ganz grundlegende Legitimation staatlicher Gewalt. Zwingt und bedroht uns nicht eigentlich auch der Staat mit all seiner Macht? Schließlich geht es selbst um so ethisch aufgeladene Konzepte wie Schuld, Verantwortung oder Freiwilligkeit, von deren Vorliegen Zwang und Drohung nach verbreitetem Verständnis befreien. Dabei macht es die Sache sicher nicht leichter, wenn klassische Vertragstheorien wie die Willens- oder die Erklärungstheorie zu diesen Fällen wenig zu sagen haben – schließlich weiß der Bedrohte meistens ganz genau, was und wie ihm gerade geschieht. Und wenn es dann noch seit alters „coactus voluit“ heißt, so fragt man sich umso verwirrter, warum wir es denn eigentlich missbilligen, wenn der bewaffnete Räuber sein Opfer mit vorgehaltener Waffe davon überzeugt, ihm das Geld auszuhändigen. Kurzum, man kann Wertheimer jedenfalls nicht vorwerfen, ein langweiliges oder praktisch bedeutungsloses Thema gewählt zu haben. „Alan Wertheimer, Coercion (1987)“ weiterlesen

James Gordley, The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine (1991)

Gordley, The Philosophical Origins of Modern Contract DoctrineBis heute hält sich die Überzeugung, wissenschaftlich gute Bücher zeichneten sich vor allen durch große Differenziertheit und inhaltliche Ausgewogenheit aus. Auch deshalb werden Fachbücher oft für Kundige wie Laien zur schweren Kost. Besonders deutschsprachigen Autoren wird dies oft vorgeworfen – und völlig unbegründet ist diese Kritik wohl nicht. Umso schöner, wenn sich aus diesem Rauschen eine klare These erhebt und konsequent verfochten wird. Gordley jedenfalls nimmt sich diese Freiheit und knöpft sich dabei eine zentrale ideengeschichtliche Entwicklung vor, die unsere vertragstheoretischen Vorstellungen bis heute prägt: die Ablösung eines aristotelisch-thomistischen Denkens durch ein stark naturrechtlich-individualistisch beeinflusstes Ideal, das sämtliche Vertragsinhalte vor allem auf einen autonomen Bindungsakt der Vertragspartner bei Vertragsschluss stützt. Erst die hiermit verbundene Missachtung und Verschüttung bewährter Erkenntnisse habe uns die zahlreichen dogmatischen Probleme beschert, mit denen wir heutzutage kämpfen. „James Gordley, The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine (1991)“ weiterlesen

Ernst Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft (1879)

Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft (1879)Blickt man auf die Literatur der letzten dreißig Jahre des 19. Jahrhunderts zurück, so fällt immer wieder auf, wie gleichermaßen präzise, streitfreudig und inhaltsreich die Diskussion nicht nur vertragstheoretischer Fragen damals verlief. Gespeist wurde dies von einer beeindruckenden Anzahl herausragender Wissenschaftler – und Zitelmann war einer von ihnen. In „Irrtum und Rechtsgeschäft“ möchte er psychologische Erkenntnisse auf die Rechtsgeschäftslehre übertragen, was bereits für sich genommen einigen Mut erforderte. Dabei lässt er sich von den handlungstheoretischen Diskussionen der Strafrechtswissenschaft inspirieren, die sich nicht zuletzt wegen des konkreten juristischen Anschauungsmaterials durchaus mit dem messen lassen können, was auch heute noch in sprachanalytischen Kreisen als modern oder gar neuartig gilt. Es wäre daher aufschlussreich, die begriffsjuristischen Überlegungen nicht nur eines Zitelmanns in die heutigen Argumentationsmuster zu übertragen. „Ernst Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft (1879)“ weiterlesen

Franz Hofmann, Die Entstehungsgründe der Obligationen (1874)

Hofmann, Die Entstehungsgründe der Obligationen, 1874Es gibt wenige kulturelle Phänomene, die derart bedeutsam und traditionsreich, aber auch so vielschichtig und komplex sind wie das, was wir gemeinhin als Vertrag bezeichnen. Entsprechend viele Regale füllen die Bücher, deren Autoren versuchen, endlich denjenigen übergreifenden Gedanken herauszudestillieren, der uns im Vertragsrecht – über Länder und Zeiten hinweg – zu oft bemerkenswert einhelligen Ergebnissen führt. Es kostet daher auch einige Mühe, sich in den heutigen Kenntnisstand einzuarbeiten. Umso mehr freut man sich über Darstellungen, die einem kurz und knapp zumindest einen ersten Zugang ermöglichen, ohne sich dabei in zahllosen Einzelheiten oder allzu schlichten Aussagen zu verlieren. Das Werk von Hofmann meistert diesen schmalen Grad: Ob nun Wahrheits-, Willens-, Vertrauens-, Nützlichkeits- oder („deliktische“) Läsionstheorien – wer sich einmal mit diesem Grundstock auseinandersetzt, wird sich durchaus auch in ganz „neue“ Diskussionen einfinden. „Franz Hofmann, Die Entstehungsgründe der Obligationen (1874)“ weiterlesen

Richard Hyland: Gifts (2009)

Glaubt man gängigen vertragstheoretischen Darstellungen, so kennt unsere Rechtswirklichkeit kaum einen anderen Vertragstyp als den des Kaufs – mit für unser Vertragsverständnis oft verhängnisvollen Folgen. Denn viele Probleme werden erst dann deutlich, wenn wir uns auch ganz anderen Rechtsgeschäften zuwenden. Die Schenkung – ein praktisch durchaus bedeutsames Phänomen – gehört dazu. Wann immer wir etwa ein substanzielles Kriterium für notwendig erachten, sei es ergänzend oder für eine Richtigkeitsgewähr, versagen insbesondere Äquivalenz und consideration. Genauso ist es durchaus schwer, die Schenkung subsumtionsfähig von einer Drohung abzugrenzen – gerade aus Sicht prozeduraler Ansätze wie der Willens- oder der Erklärungstheorie. Ebenso müssen diese Konzepte erst einmal erklären, warum hier typischerweise ein erhöhter Übereilungsschutz gilt. Schließlich fragt sich gerade bei unentgeltlichen Rechtsänderungen, weshalb der Schenkende eigentlich an seinen Willen bzw. an seine Erklärung gebunden sein sollte. „Richard Hyland: Gifts (2009)“ weiterlesen

Catharine MacMillan: Mistakes in Contract Law (2010)

Buchcover von MacMillan Mistakes in Contract-LawWann immer Themen behandelt werden, die gerade als modern gelten, ist zu befürchten, dass der wissenschaftliche Ertrag gering und das Ausmaß an Zweitverwertung groß ausfällt. Bestenfalls werden hier altbekannte Argumente neu präsentiert, schlimmstenfalls kulturelle Reichtümer verschüttet und verfälscht. Genau solche Befürchtungen könnte man hegen, nimmt man MacMillans Buch in die Hand. Geht es doch dort um ein solches Modethema, nämlich das, was man heutzutage als Rechtstransplantat oder Rechtsexport bezeichnet. Konkret behandelt die Autorin die Einflüsse Pothiers und Savignys auf die Mistake-Doktrin im Common Law – ein gewisse Irrtümer erfassendes Rechtsinstitut, über dessen genauen Inhalt sich bis heute trefflich streiten lässt. Dass die Lektüre dennoch gleichermaßen spannend wie aufschlussreich ausfällt, liegt vor allem daran, dass sich MacMillan nicht in abstrakt-theoretisierenden Ausführungen verliert. Vielmehr untersucht sie die Übernahme fremder Rechtsvorstellungen „nur“ anhand eines klar umgrenzten Bereichs – dies dafür aber fundiert. „Catharine MacMillan: Mistakes in Contract Law (2010)“ weiterlesen

Wolfgang Kersting: Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags (1996)

Titelblatt KerstingSo ein Vertrag ist schon eine tolle Sache und gerade unter Wissenschaftlern äußerst beliebt: Nicht nur ist diese Gebilde weit verbreitet – stündlich werden Millionen davon geschlossen. Auch normativ scheint es uns zu beruhigen, wenn wir an andere gerichtete Forderungen nicht etwa auf substanzielle Gesichtspunkte stützen müssen, sondern „nur“ die Zustimmung der jeweils betroffenen Personen. Dies führt dazu, dass bisweilen selbst dort die merkwürdigsten Verträge bemüht werden, wo es der unbefangene Betrachter nicht unbedingt vermuten würde. „Wolfgang Kersting: Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags (1996)“ weiterlesen