Richard Hyland: Gifts (2009)

Glaubt man gängigen vertragstheoretischen Darstellungen, so kennt unsere Rechtswirklichkeit kaum einen anderen Vertragstyp als den des Kaufs – mit für unser Vertragsverständnis oft verhängnisvollen Folgen. Denn viele Probleme werden erst dann deutlich, wenn wir uns auch ganz anderen Rechtsgeschäften zuwenden. Die Schenkung – ein praktisch durchaus bedeutsames Phänomen – gehört dazu. Wann immer wir etwa ein substanzielles Kriterium für notwendig erachten, sei es ergänzend oder für eine Richtigkeitsgewähr, versagen insbesondere Äquivalenz und consideration. Genauso ist es durchaus schwer, die Schenkung subsumtionsfähig von einer Drohung abzugrenzen – gerade aus Sicht prozeduraler Ansätze wie der Willens- oder der Erklärungstheorie. Ebenso müssen diese Konzepte erst einmal erklären, warum hier typischerweise ein erhöhter Übereilungsschutz gilt. Schließlich fragt sich gerade bei unentgeltlichen Rechtsänderungen, weshalb der Schenkende eigentlich an seinen Willen bzw. an seine Erklärung gebunden sein sollte. Dabei können wir Juristen über derartige Schwierigkeiten noch glücklich sein, haben die Ökonomen, wie Hyland treffend aufarbeitet, ungleich größere Probleme: Oft handelt der Schenkende fremdnützig, genauso wie zu beantworten ist, warum wir beispielsweise eine Flasche Rotwein und nicht etwa Geld schenken – schließlich lässt sich dieses Geld nicht nur in die Flasche Rotwein, sondern gleich noch in zahllose andere Annehmlichkeiten umwandeln. Kurzum: Die Schenkung bietet viele wissenschaftlich reizvolle Probleme, die es allemal rechtfertigen, sich ausführlich mit ihr zu beschäftigen.

Dabei ist es durchaus begrüßenswert, wenn man wie Hyland rechtsvergleichend arbeitet und auch die außerrechtliche Dimension dieses kulturellen Phänomens berücksichtigt. Allerdings leidet die gesamte Darstellung an eher mutigen Thesen. So mag dem Autor zwar noch darin beizupflichten sein, dass sich die Schenkung mit einem Marktdenken beißt – schließlich begreifen wir Märkte beinahe definitionsgemäß als das Medium eines Güteraustauschs. Doch soll die Schenkung nach Hyland die Fundamente unserer heutigen marktliberalen Rechtsordnung, unsere Vorstellung von Recht überhaupt und gar unser gängiges Rationalitätsverständnis bedrohen. Unser westliches Recht fürchte Liebe und Leidenschaft und damit auch die Schenkung, weil es diese nicht kontrollieren, nicht domestizieren könne. Und falls der Bürger einmal erkenne, wie wenig sich Recht und Schenkung miteinander vertrügen, drohe er – dermaßen aufgeklärt – Ähnliches auch für ganz andere Lebensbereiche zu denken. Gerade weil die Schenkung zu einem flüchtigen Blick auf eine völlig andere, weniger künstlich-minderwertige Welt einlade, suche der moderne Staat, dem die Interessen seiner Bürger gleichgültig sei, diesen Fremdkörper zu bekämpfen, auszugrenzen und zu unterdrücken. Das Schenkungsrecht stelle daher in Wahrheit die Privatautonomie auf den Kopf. Dementsprechend beruhten die für Schenkungen so typischen Formerfordernisse nicht etwa auf dem Anliegen eines Übereilungsschutzes, sondern drückten vor allem das generelle Unbehagen unserer Rechtsordnung mit diesem Rechtsinstitut aus. Ja, das Schenkungsrecht sei geradezu aus der Ablehnung einer alternativen „Schenkungsökonomie“ und der Identifikation des Privatrechts mit dem Markt entstanden. Letztlich sei die Schenkung ein für das westliche Denken unergründliches Mysterium, eine Chimäre, eine Illusion, eine Fata Morgana, ein an Komplexität kaum zu überbietendes Sinnbild einer völlig anderen Welt und daher rechtlich von vornherein nicht zu erfassen.

Für manche gar eines der juristischen Bücher des Jahres, besticht Hylands Werk vor allem durch die stark ausgeprägte Bereitschaft seines Autors, eigene Vorverständnisse einzubringen, anstatt sich auf nüchterne wissenschaftliche Analysen zu beschränken. Dabei sei die Frage erlaubt, wovon genau Hyland eigentlich nachts träumt, wenn es ihm um rechtsfreie und von Liebe und Leidenschaft bestimmte Ordnungsmuster geht. Natürlich lässt sich am Kapitalismus so einiges kritisieren, doch würde man gerne erfahren, welche Alternative zu unserem demokratisch-rechtsstaatlich-marktwirtschaftlichen System dem Autor vorschwebt. Möglicherweise schwant uns da nichts Gutes. Dabei drängt sich die vermeintlich grundlegende Andersartigkeit der Schenkung nicht unbedingt auf. Immerhin zeichnen sich gleichermaßen Schenkung wie gegenseitiger Vertrag dadurch aus, dass sie den Interessen beider Seiten dienen – sei es weil der Schenkende anderen helfen will oder aber er ganz eigennützige Interessen verfolgt. Und wie lässt sich ernsthaft behaupten, dass unser Staat die Schenkung durch eine bewusst hinderliche Verrechtlichung torpediere, wenn eben dieser Staat es uns völlig frei lässt, eine Schenkung dem Recht zu unterstellen oder eben nicht? Die Verrechtlichung ist schließlich nur eine weitere Option. Tatsächlich unterstützen viele westliche Staaten sogar Schenkungen, indem sie diese etwa steuerlich begünstigen oder gemeinnützige Tätigkeiten von wettbewerbsrechtlichen Pflichten ausnehmen. Reichlich unplausibel ist auch die These zweier gänzlich anders gearteter Geisteswelten, da wir überhaupt nicht fähig sind, mehrere völlig verschiedene Wertesysteme kognitiv vorzuhalten. Schon deshalb widersprechen sich Sitte und Recht zumindest langfristig selten fundamental, sondern beeinflussen einander stark. Vielleicht am bedauerlichsten ist bei all dem, dass sich das bei der Lektüre zunehmend aufbauende Misstrauen dann auch auf all diejenigen Aussagen Hylands erstreckt, die nicht an vergleichbaren Mängeln leiden und es daher wert sind, sehr ernst genommen zu werden.

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