Siegmund Schlossmann: Der Vertrag (1876)

Der erste Literaturhinweis dieses Blogs ist dem Werk eines ganz besonderen Juristen gewidmet. Es gibt wenige Zivilrechtler, deren wissenschaftliche Leistung derart in Widerspruch zu ihrer geringen Bekanntheit steht. Siegmund Schlossmann gehört zu den ganz Großen seiner Zunft und dabei vor allem zu jenen, die gleichermaßen präzise wie eigenständig dachten. Dabei war seine Zunge genauso scharf wie sein Geist – und beides wandte er nur zu gern an. „Der Vertrag“ strotzt geradezu vor bedeutsamen inhaltlichen wie methodischen Einsichten, mit denen er seiner Zeit oft weit voraus war. Die größte Tragweite birgt dabei die erstmals von Schlossmann umfassend vorgetragene Kritik an einem damals weit verbreiteten, aber auch heute noch lange nicht überwundenen gegenständlich-bildlichen Rechtsdenken. Nach dieser Vorstellung „entstehen“ Forderungen, sie „gehen über“ oder „verändern sich“ und wird bis heute vom „Selbstbindungswillen“ gesprochen, als habe der Wille die magische Gabe, eine rechtliche Bindung zu „erzeugen“.

Ganz generell wandte sich Schlossmann gegen inhaltsleere Abstraktionen, ungenaue Begrifflichkeiten oder bloße Behauptungen und nahm dabei insbesondere die Willenstheorie aufs Korn. Beliebt machte er sich damit nicht. Aber er kritisierte nicht nur unbarmherzig, sondern nahm auch viele heute weit verbreitete Gedanken vorweg, etwa wenn er noch vor Zitelmann den Unterschied zwischen Handlungs- und Geschäftswille herausarbeitete, die Bedeutung von Verschulden, Fahrlässigkeit oder Zurechenbarkeit auch für den Vertragsinhalt vertrat oder frühzeitig zur heute weithin vergessenen Grundfolgentheorie beitrug. Kurzum, wer lernen möchte, den Dingen auf den Grund zu gehen, wird in Schlossmann einen Meister finden.

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