In vertragstheoretischen Fragen grundlegend Neues zu schreiben, ist angesichts einer Jahrtausende alten und heutzutage auch noch weltweit wie interdisziplinär praktizierten Diskussion hierüber schwer. Umso erfreulicher ist es, wenn man zwar keine grundstürzende Neukonzeption zu lesen bekommt, wohl aber eine zumindest unterhaltsam präsentierte Einsicht, die zum erneuten Nachdenken über dann vielleicht auch fundamentale Fragen anregt. In diese Kategorie fällt das hier vorzustellende Werk, wobei man aber etwa auch Schelling, Choice and Consequence (1984) hätte wählen können.
Gedanklicher Ausgangspunkt dieser Werke ist die in der Vertragstheorie selten diskutierte Frage, inwieweit wir Menschen gut daran täten, nicht nur andere (zB vertraglich) binden zu können, sondern auch uns selbst. Denn oft ist unser Wille schwach oder wirr und führt uns dann manche Wahlmöglichkeit ins Verderben. Oder um es konkret zu formulieren: Sollten wir uns nicht uns selbst gegenüber dazu verpflichten können, zukünftig nicht mehr zu rauchen, früher aufzustehen, gesünder zu speisen usw.? Und sollte solch ein Versprechen dann nicht sogar – allen praktischen Problemen zum Trotz – durchgesetzt werden? Nach diesem Schema lassen sich verschiedenste Situationen, (Selbstüberlistungs-) Strategien und Gefährdungen diskutieren, wie sie sich im täglichen Leben so vielfältig darbieten. Dabei trägt es jedenfalls zur gedanklichen Auflockerung bei, wenn wir für all die Techniken, mit denen wir andere Personen beeinflussen, fragen, inwieweit sie sich nicht auch auf unser eigenes, späteres Verhalten anwenden lassen Elster tut das ausführlich und anregend – oft gar unter Auswertung eher belletristischer Werke.
Dass eine Bindung sich selbst gegenüber Sinn ergeben kann, liegt vor allem an der – weniger für Psychologen oder Juristen, wohl aber für Ökonomen – unbequemen Einsicht, dass wir Menschen oft irrational handeln. Auf dieser Basis kann dann die rationale Entscheidung eines früheren Zeitpunkts (zB ein in Ruhe gefasster Vorsatz) gegenüber dem irrationalen Wollen einer späteren Situation – etwa im Zustand größter Versuchung – zu bevorzugen sein.
Hätte es Elster bei diesem geistreich vorgetragenen Kerngedanken belassen, wäre an seinem Werk wenig auszusetzen. Doch strebt der Verfasser nach Höherem, insbesondere einer anspruchsvollen theoretischen Einkleidung, ohne dass dieser Überbau zu überzeugen wüsste. Ärgerlich ist es, wenn sich Elster bei dem, worum es in der gesamten Arbeit in ihrem Kern geht, nämlich dem tatsächlichen menschlichen Handeln, weithin in fachfremd-spekulativen Ausführungen übt, anstatt mit der Psychologie einfach die einschlägige Disziplin zu bemühen – und sei es nur durch den (zugegebenermaßen wenig spektakulären) Verweis auf die aktuellen Lehrbücher und Gesamtdarstellungen deren fachkundigen Vertreter.
Fragwürdig fällt zudem Elsters Versuch aus, den schlichten Befund eines je nach individueller Situation unterschiedlich rationalen (gemessen zB am wohlverstandenen Interesse der jeweiligen Person) menschlichen Handelns mit der These „zeitinkonsistenter Präferenzen“ zu verschwurbeln: Ja, Menschen entscheiden oder handeln nicht zu allen Zeiten gleich. Ja, unser Wille ist schwach – das weiß selbst der liebe Gott. Und ja, wir (zB als Familie oder Gesellschaft) bevormunden bisweilen andere Personen, lassen diese nicht immer allein für sich entscheiden. Doch was es bringen soll, nicht einfach von je nach Zeitpunkt (auch qualitativ)„unterschiedlichen“, sondern vielmehr „zeitinkonsistenten“ Präferenzen zu sprechen, bleibt offen. Nichts anderes gilt für das von Elster angemahnte „Paradox einer Freiheit durch Bindung“. Denn dahinter verbirgt sich nur ein in der vertragstheoretischen Diskussion zu genüge als solcher entlarvter Kategorienfehler, nämlich die Vermengung unterschiedlicher Bedeutungen insbesondere von „Freiheit“.
Besonders gekünstelt ist die These Elsters, dass wer morgens schwöre, mit dem Rauchen aufzuhören, „jemand anderes“ sei als derjenige, der abends doch wieder zur Zigarette greift. Während wir den Menschen immer nur als eine Person betrachteten, gäbe es derer gleich mehrere. Menschen seien nicht als ein Ich zu betrachten, sondern ja nach Zeitpunkt als verschiedene Ichs mit jeweils eigenen Identitäten, Werten, Geschmäckern, Erinnerungen und Sinneswahrnehmungen. Doch ist dies psychologischer Humbug: Zwar verändern wir uns – natürlich! – kontinuierlich etwa durch Altern oder Lernen. Doch tun wir dies nicht so plötzlich, wie uns das Elster suggeriert. Vielmehr sind es stark situative Umstände (Hunger, Müdigkeit, soziales Umfeld, Beeinflussungen usw.), die unser Verhalten kurzfristig beeinflussen, weshalb wir zum Verständnis menschlichen Handelns gut beraten sind, vor allem diese Umstände zu berücksichtigen anstatt zu glauben, wir würden von einer Minute zur anderen eine andere Person. Diese psychologische Binsenweisheit hat dann übrigens auch handfeste rechtspolitische Konsequenzen, lassen sich menschliche Verhaltensmuster nicht über Nacht, sondern nur über längere Zeiträume verändern, und das wiederum durch Einwirkung auf die Umstände menschlichen Verhaltens.
Den in vielerlei Hinsicht fragwürdigen Thesen Elsters zum Trotz sollte nicht vergessen werden, dass es gerade die Bereitschaft des Autors zu mutigen Thesen ist, die sein Buch nicht nur unterhaltsam macht, sondern auch echten Erkenntnisfortschritt verspricht – und sei es auch nur durch die genaue Analyse dessen Schwächen. Wie immer gilt: Kritisieren ist leicht, Neues zu präsentieren schwer. Jedenfalls der Rezensent liest Derartiges allemal lieber als die dreißigste monographische Lobpreisung „der Privatautonomie“. Und da Elster bei allem geistigen Ertrag dann auch noch kurzweilig schreibt, lohnt sich die Lektüre allemal.